Staubfrau Eine vielstimmige Flut von Maria Milisavljević

StaubfrauEine vielstimmige Flut von Maria Milisavljević

Premiere 15.01.26
 
Schauspiel
Studio
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Was könnte er wohl erzählen, der Fluss, wenn er sprechen könnte?
Vielleicht würde er von dem Fahrrad, den löchrigen Schuhen oder den versenkten Waffen auf seinem Grund berichten. Vielleicht würde er die vergossenen Tränen erwähnen, die ihn manchmal anschwellen lassen. Vielleicht würde er von den Frauenleichen sprechen, die er in sich birgt. Murmelnd erzählt er das eine, als mitreißende Flut das andere – beständig und schweigend sammelt er Geschichten und Biographien, die sich in seinem endlosen Strom zu einer einzigen Stimme verdichten. Da ist Therese, die beste Freundin der Oma, die als junge Frau vom Fritz erst unbeholfen umworben und schließlich vergewaltigt, umgebracht und im Fluss entsorgt wird. Der Fritz wird aber 88 Jahre alt und bei seinem Tod trauert das ganze Dorf. Oder die Mutter, gefangen in einer gewaltvollen Ehe und in einer Zeit, in der Scheidungen noch tabu waren. Im Würgegriff des Patriarchats erduldet sie ihr Leid und entschuldigt jegliches Fehlverhalten ihres Mannes. Wie auch eine Generation später die Tochter, der Erziehung und Haushalt scheinbar über den Kopf wachsen, und deren Ehemann weder vor physischer noch vor psychischer Gewalt zurückschreckt.
Generation für Generation, Frau für Frau schluckt der Fluss die himmelschreienden und doch totgeschwiegenen Ungerechtigkeiten, bis er anschwillt, über die Ufer tritt und das Schweigen gebrochen werden muss.

Maria Milisavljević hat mit Staubfrau eine hochpoetische wie vielstimmige Anklageschrift gegen das Patriarchat verfasst. Der kraftvolle Text über Femizid und strukturelle Gewalt an Frauen verwebt die Traumata vieler Generationen zu einem zeit- und endlosen Fluss an Frauenschicksalen. Die Wucht des Textes liegt dabei in seiner Ruhe – sanft umspielen die Worte die scharfen Kanten des Themas, trüben dabei aber nicht die Brutalität, sondern lassen im glitzernden Sonnenlicht die gesamte Grausamkeit zutage treten: Stille Wasser sind tief.

Team

Regie
Dramaturgie