Thi Le-Thanh Ho

(Lied-) Texterin

Thi Le-Thanh Ho arbeitet als Liedtexterin und Schauspielerin. Sie veröffentlichte drei mit Preisen ausgezeichnete, deutschsprachige Musikalben. Als Schauspielerin ist sie in verschiedenen Film- und Fernsehproduktionen zu sehen – z.B. war sie von 2016-2020 in SPOTLIGHT auf Nickelodeon in einer durchgängigen Nebenrolle dabei und ist seit 2021 in WIR auf ZDF Neo in einer Hauptrolle zu sehen. Mehr zu Ihrer Musik.

SKIZZEN

KONZERT FÜR OBERHAUSEN

Das Theater Oberhausen hat Thi Le-Thanh Ho eingeladen, sich im Dezember 2022 und im Januar 2023 als Stadtbotschafterin in Oberhausen aufzuhalten, die Stadt und ihre Menschen kennenzulernen und Musik für Oberhausen zu schreiben. Da ihr wichtig ist, dass in ihrer Musik Oberhausener:innen auch selber zu Wort kommen, schreibt sie einen der entstehenden Songs direkt mit Jugendlichen, die im Theater, in der Schule und in einem Jugendzentrum mit ihr arbeiten. Alle Songs für Oberhausen wird sie am 24. Januar 2023 in der Bar des Theaters Oberhausen präsentieren.

Mit Multi-Instrumentalistin Zainab Lax. Mehr Infos zur Musikerin und Musiktherapeutin hier.

DI, 24.01.2023, BAR, KARTEN UND INFOS
DER EINTRITT IST FREI – HOLEN SIE SICH IHR TICKET TROTZDEM RECHTZEITIG IM ONLINE-TICKETSHOP ODER AN DER THEATERKASSE! 

LIEDER

Ich bin das Wesen aus der Tiefsee, das sein Unwesen treibt /
Das alles was es kriegt zwischen den Zähnen zerreibt /
Das mit gewaltigen Tentakeln deine Schiffe umspannt /
An Land allseits gefürchtet, ein nicht greifbarer Gigant.
Fernseher laut, Geschwister und Nintendo,
Mühlheimerstraßen /
Lärm, Autos Richtung Centro /
In mir legen sich Bilder übereinander /
Geister in mir wirbeln alle Fotos durcheinander.

OBERHAUSEN UND SEINE ANEINANDERREIHUNG VON RÄUMEN DES DAZWISCHEN

Thi Le-Thanh Ho zur Entstehung ihrer Texte

Wenn ich an Orte des Dazwischen denke, denke ich an Orte zwischen Bleiben dürfen und Gehen müssen. Ich denke an den Raum zwischen den Sprachen, den Raum zwischen Meinen und Sagen und verzweifeltem Streben nach Kongruenz. Ich denke an meine Erfahrungen, an die meiner Eltern, an die meiner Ahnen und ich denke an den Zwischenraum, an dem sich diese Erfahrungen vermischen, weil ich die Fortsetzung meiner Ahnen bin und die Verbindung zu allen kommenden Generationen. Bewege ich mich in einem solcher Räume, weckt dieser in mir das Gefühl, an all diesen Räumen gleichzeitig zu sein und zugleich nirgendwo, ich löse mich auf und oft zieht es mich genau dort hin. Ich vermute, dass dieses Bedürfnis, unsichbar und unauffindbar zu sein aus einer internalisierten Erwartungshaltung einer weißen Mehrheitsgesellschaft kommt, die ich von meinen Eltern übernommen habe, welche in den späten 70ern als sogenannte Boat People über Umwege vor den Folgen des Vietnamkrieges nach Deutschland geflohen sind und versucht haben, mit allen Mitteln nicht aufzufallen, um zu überleben. Gefangen in diesem Zwischenraum zwischen bleiben dürfen und gehen müssen, liegt im toxischen Streben nach Unsichtbarkeit die Hoffnung auf Schutz.

DIE BALLADE VOM GOLDFISCH

von Thi Le-Thanh Ho

Der Goldfisch zieht im Wasserglas ganz stoisch seine Runden 
und ist das was man von ihm sagt nicht völlig frei erfunden 
hat ein Goldfisch ein Gedächtnis von maximal drei Sekunden 
Altbekanntes scheint dann neu und von neuem unbekannt 
Er ist nunmal ein Fisch und halt kein Elefant
und ich fragte mich als ich so vor dem Wasserglase stand
ob so ein Goldfisch denn dann
jemals heim und zurückkehren kann 

Der Goldfisch zieht im Wasserglas ganz stoisch seine Runden 
allein und wundert sich, wann sind die anderen verschwunden 
Jede Nacht wird er sein Spiegelbild von neuem erkunden 
waren die andern wirklich da und wie sahn die nochmal aus? 
Hatten die genau wie er den gleichen Schimmer auf der Haut?
Immer wieder unbekannt und von neuem unvertraut 
ob der ewiger Passant denn dann
jemals zu andern und sich selbst zurückkehren kann 

Der Goldfisch zieht im Wasserglas ganz stoisch seine Runden
nur bei Tageslicht zeigt sich dahinter Sofa, Mensch und Hund 
das hat, unter anderem, folgenden Grund
Bei Tageslicht wird nämlich die Scheibe transparent 
Und offenbart erbarmungslos wovon sie den Fisch trennt 
hinterm Tischkantenhorizont die Welt, die er nicht kennt. 
doch wenn ihm stets entfällt, was ihn gefangen hält
sorgt das nicht dafür dass ihn das Gefängnis nicht quält? 

Ist so ein Goldfischgedächtnis dann nicht vielmehr ein Segen?
Ist er uns dadurch nicht haushoch überlegen?
es muss ganz herrlich leicht sein, was würd manch einer für geben 
wie er im Hier und Jetzt und ohne viel Gepäck zu leben
…doch was, wenn während er Kreise schwimmt
in ihm doch der blasse Schimmer weiter glimmt
Wenn sein Gedächtnis den Gegenstand zwar verliert
doch der Schatten davon in ihm weiter existiert
Was, wenn er, was er gleich wieder vergisst,
allem zum Trotz später vermisst? 

Wenn also dieser Schimmer ihn ständig vorwärts treibt
und der Goldfisch dadurch ein ewig Reisender bleibt 
Und Hoffnung und das stete sich nach Hause sehnen 
ihm den Willen und die Kraft verleihen 
…sich gegen die Sinnlosigkeit aufzulehnen!
Und der Goldfisch wenn er im Kreise sich windet und durch das Wasser treibt
sich auf dem Heimweg befindet, während er seine Kreise beschreibt.